Johanna Bauer hat ihn gewagt – den beruflichen Neuanfang mit Mitte 40. Sie macht eine zweijährige Ausbildung zur Kinderpflegerin und steht inzwischen kurz vor den Abschlussprüfungen. Den praktischen Teil ihrer Lehre absolviert sie im Johannes Kindergarten in Nandlstadt.
Für ihre Chefin Tanja Schranner-Seehofer ist Johanna Bauer ein Glücksfall. Im Bereich der Kinderpflege mangelt es an Fachkräften. „Wenn wir Stellen ausschreiben, freuen wir uns über jede eingehende Bewerbung. Top-Kräfte wie Johanna Bauer sind extrem rar“, erläutert die Kindergarten-Leiterin und ergänzt lachend: „Deshalb wollen wir Johanna Bauer auch nicht mehr hergeben."
Alexandra Weinzierl, ehemals Beraterin im Freisinger Jobcenter, jetzt Berufsberaterin in der Arbeitsagentur, suchte das Gespräch mit der Staatlichen Berufsfachschule für Kinderpflege in Freising, mit dem Fachbereich Kindertageseinrichtungen des Landratsamts und wälzte das neue Qualifizierungschancengesetz. Sie konzi-pierte das Freisinger „Assistenzkraftmodell in der Kinderpflege“.
Dieses richtet sich an Männer und Frauen, die entweder gar keinen Berufsabschluss haben oder eine Ausbildung gemacht haben, aber in den letzten vier Jahren eine an- oder ungelernte Tätigkeit ausübten. Die Ausbildung zur Kinderpfleger nach dem Assistenzkraftmodell dauert zwei Jahre. Den theoretischen Unterricht übernimmt der Freisinger Bildungsträger CBZ, die Abschlussprüfungen finden an einer Staatlichen Berufsfachschule für Kinderpflege in Form einer Externenprüfung statt. Den praktischen Teil der Ausbildung absolvieren die Teilnehmer direkt in einer Kindertageseinrichtung. „Das Besondere am Assistenzkraftmodell ist, dass die Auszubildenden von der Kindertageseinrichtung für die Dauer der Ausbildung einen Arbeitsvertrag als Assistenzkraft bekommen, der 30 Arbeitsstunden pro Woche umfasst und entsprechend vergütet wird“, erläutert Weinzierl und ergänzt: „Die größte Hürde für viele ältere Ausbildungsinteressierte ist nämlich oft die Frage, wie sie die Lehrzeit finanzieren können. Viele Männer und Frauen, die 30, 40 oder 50 Jahre alt sind haben eine Familie zu versorgen oder andere finanzielle Verpflichtungen. Mit der Anstellung als Assistenzkraft können sie diesen auch während der Ausbildung nachkommen.“
Sehr gute Deutschkenntnisse sind ein Muss. Neben einem Vorstellungsgespräch in der Kindestagesstätte gilt es für die angehenden Auszubildenden außerdem, vorab eine berufspsychologische Eignungsprüfung zu absolvieren. „Der berufspsychologische Test war eine interessante Erfahrung – und machbar“, erzählt Johanna Bauer. „Wahrscheinlich haben mir meine Lebenserfahrung aber auch mein beruflicher Werdegang geholfen, ihn zu bestehen.“