Das ehemalige Mutterhaus des Ordens der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul ist ein historisch und architektonisch eindrucksvolles Gebäude. Vor über 180 Jahren (1836-1839) wurde es nach Plänen von Friedrich von Gärtner erbaut und diente den Barmherzigen Schwestern bis 2007 als Mutterhaus. Nach der Übergabe an den Freistaat Bayern und der Profanierung der zum Mutterhaus gehörenden Kirche wurde der Gebäudekomplex ab 2018 umgebaut und saniert. Auf drei Etagen sind im Haus St. Vinzenz nun Ambulanzen und Tageskliniken, Arzt-, Büro-, und Therapieräume der LMU-Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und für Psychosomatik und Psychotherapie, des Instituts für Allgemeinmedizin sowie Lehrräume der Carl-August-Heckscher-Schule untergebracht. Die ehemalige Kirche ist jetzt ein multifunktionaler Veranstaltungsraum, der Friedrich von Gärtner-Saal.
„Modernste Medizin in historischem Gebäude: Das St.-Vinzenz-Haus ist ein Stück Münchner Medizingeschichte“ freut sich Markus Blume, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst. „Wir füllen es mit neuem Leben. Die Sanierung ist ein wichtiger Baustein für die Standortentwicklung des Klinikums im Herzen der Innenstadt. Wir schaffen hier zusätzlichen Raum, um Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie und Allgemeinmedizin zu stärken.“
Das Haus St. Vinzenz liegt in direkter Nachbarschaft zur Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie zur Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Campus Innenstadt des LMU-Klinikums. „Somit können die beiden Fachkliniken die neuen Räume optimal in ihre Strukturen integrieren, zugleich aber auch Diagnosen und Therapien differenzierter für die Patienten anbieten“, sagt Prof. Dr. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor des LMU Klinikums München und Vorstandsvorsitzender. „Es ist gleichsam ein Haus für die seelische Gesundheit und passt daher wunderbar zum ganzheitlichen Wirken des Namensgebers.“ Denn auch der heilige Vinzenz von Paul hatte die geistlichen Nöte ebenso im Blick wie die materiellen.
„Ich freue mich sehr, dass wir mit den neuen Ambulanzen mehr Möglichkeiten haben, Patientinnen und Patienten mit Depressionen, Sucht- und psychotischen Erkrankungen, aber auch Menschen mit Autismusstörungen im Erwachsenenalter behandeln zu können“, sagt Prof. Dr. Peter Falkai, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. „Zudem wird die Migrationsambulanz Hilfe für Menschen mit unterschiedlichem kulturellen und ethnischen Hintergrund anbieten. Dazu gehören auch Diagnostik und Therapiemöglichkeiten für Patienten mit dementiellen Erkrankungen.“
Für die Kinder und Jugendlichen verbessert sich die Situation deutlich durch die neuen Räume im ersten und zweiten Stock im Haus St. Vinzenz. „Unsere Klinik hält künftig stationär 54 Behandlungsplätze bereit“, freut sich Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychotherapie. „In der Tagesklinik im Haus St. Vinzenz können wir 20 Plätze anbieten, die sich auf zwei Gruppen verteilen. Auf junge Betroffene mit Essstörungen und Depressionen sowie auf Kinder und Jugendliche mit Angststörungen, wie beispielsweise Schulleistungsstörungen.“
„Wir kümmern uns um die Medizin außerhalb des Klinikums, also in den Praxen in und um München herum“, beschreibt Prof. Dr. Jochen Gensichen, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin, die Aufgaben seiner Einrichtung. „Wir unterstützen die Hausärzte dabei, psychische Erkrankungen bei ihren Patientinnen und Patienten besser zu erkennen und ihnen dann auch bei der weiteren Betreuung dieser Betroffenen zur Seite zu stehen.“
Die Erweiterung von Behandlungskapazitäten für psychisch belastete Patientinnen und Patienten ist dringend notwendig – und sie ist jetzt, angesichts der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine, aktueller denn je. Es ist zu erwarten, dass der Bedarf an Therapiemöglichkeiten psychischer Erkrankungen durch diese beiden Extremereignisse weiter ansteigen wird.
Zuwendung und Menschlichkeit, zugleich aber auch ein verantwortungsvolles Wirtschaften mit den verfügbaren Mitteln waren und sind Grundsätze der Pflege durch die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul. Schon die erste Leiterin des Ordens in München, Schwester Ignatia Jorth, war in der Hauswirtschaft "so kompetent und sparsam ans Werk gegangen, dass sie ab 1835 fortan mit ihren Ordensschwestern dafür zuständig war", heißt es in einer Festschrift über die aus Straßburg stammende Mutter Ignatia.
„In diesem Jahr feiern wir Barmherzige Schwestern das 190-jährige Bestehen unserer Gemeinschaft in München und so sehe ich die Eröffnung wie ein Geburtstagsgeschenk“, sagt Generaloberin Schwester Rosa Maria Dick. „Ich freue mich, dass unser historisches Mutterhaus so edel saniert wurde. Und wir Schwestern sind sehr dankbar und auch ein wenig stolz, dass dieses Haus – als Kinder- und Jugendpsychiatrie – gleichsam unser Charisma weiterführt und noch dazu nach unserem Gründer, dem hl. Vinzenz von Paul, benannt wird.“
Geplant und begonnen wurde der Umbau des ehemaligen Mutterhauses noch unter Prof. Karl-Walter Jauch als Ärztlichem Direktor des LMU-Klinikums. Daher gab es bei der Veranstaltung noch einen weiteren Höhepunkt, der direkt mit der Eröffnung des St.-Vinzenz-Hauses in Verbindung steht. Der Generalvikar der Erzdiözese München und Freising, Christoph Klingan, würdigt mit einer symbolischen Übergabe des Staffelstabs vom bisherigen Ärztlichen Direktor Karl-Walter Jauch auf Markus Lerch die Verdienste von Jauch, der „als im besten Sinne guter Hirte seine Aufgaben als Arzt, Wissenschaftler und Ärztlicher Direktor mit herausragender fachlicher und menschlicher Kompetenz, spürbar geprägt von christlichen Werten wahrgenommen hat. So genießt er nicht nur höchste Anerkennung in der Wissenschaft, sondern hat stets zum Wohl der ihm als Patientinnen und Patienten oder Mitarbeitende anvertrauten Menschen gehandelt und Bayerns größtes Universitätsklinikum als ein wohlbestelltes Haus an seinen Nachfolger übergeben.“
Mit der Übergabe des sanierten Gebäudes an das LMU-Klinikum durch den Bauherrn, das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, vertreten durch das Staatliche Bauamt München II, ist auch ein baulich anspruchsvolles Projekt abgeschlossen worden. Das Gebäude ist als Einzeldenkmal in die bayerische Denkmalliste eingetragen. Die Herausforderung bestand im Erhalt und der Restaurierung des Denkmals in Verbindung mit der Ertüchtigung des Gebäudes an geltende Vorschriften und zeitgemäßen technischen und energetischen Standards. Basierend auf historischem Vorbild des ehemaligen Klostergartens entstand der Patientengarten, dieser wurde um Erholungsorte erweitert. Die Grünflächen und Pflasterbeläge wurden neu angelegt und bilden ein harmonisches Gesamtensemble mit dem sanierten Denkmal.
In seiner Vollendung tritt das Gebäude nunmehr den Beweis an, dass historische Gebäude unter besonderer Würdigung und Erhaltung ihrer Substanz, auch modernste Nutzungen aufnehmen können. Die Planungen begannen 2016, die Bauarbeiten nach den Plänen von Kai Otto Architekten, München, im Jahr 2018. Die Gesamtkosten belaufen sich auf knapp 25 Millionen Euro
Barbara Langer (Leitende Baudirektorin, Staatliches Bauamt München 2) erklärt, wie Altes bewahrt wurde:
"Besondere Sorgfalt sollten wir bei diesem Baudenkmal auf das Erscheinungsbild der Fassade verwenden. In großen Teilen mussten die Fenster zwar erneuert werden, dies erfolgte aber nach dem alten Vorbild der Kastenfenster. Insgesamt konnten 18 historische Kastenfenster mit originalen Gläsern von 1837, die sorgfältig überarbeitet wurden, erhalten werden. Die Fassade wurde nach historischem Farbkonzept saniert, die noch erhaltene historischeHolztreppe neu ausgerichtet und ertüchtigt. Die alten, originalen Solnhofener Platten im großen umlaufenden Flur des Erdgeschosses wurden nach der Sanierung wieder eingebaut.“